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games of Empires
zum gerade publizierten Essayband des Symposions 2016
von Barbara Holländer


Karen Aydin
, Martina Ghosh-Schellhorn, Heinrich Schlange-Schöningen,
Mario Ziegler (Hg.), Games of Empires - Kulturhistorische Konnotationen von Brettspielen in transnationalen und imperialen Kontexten, Transcultural Anglophone Studies Vol. 5,  LIT Verlag Berlin 2018, Euro 39,90.



Das Symposion Games of Empires an der Universität Saarbrücken im Jahre 2016 widmete sich Spielen in ihrer wechselvollen gesellschaftlichen Bedeutung, ihrer Rezeption, ihrer ideologischen und pädagogischen Aufladung, ihren Spuren in der Literatur. Jetzt sind die Beiträge in gedruckter Form erschienen. Sie behandeln von der Spätantike bis zur Gegenwart eine Reihe von Themenfeldern, nach denen die Beiträge in diesem Literaturbericht gruppiert sind.

Öffentlicher Raum, Status der Spieler, Bewertungen

Im öffentlichen Raum liefern in Steintafeln eingeritzte Spielfelder mit Kommentaren oder Anweisungen aus der Zeit des römischen Kaiserreichs und zeitgenössische Beschreibungen des dort spielenden Publikums das farbige Bild einer spielfreudigen, aber auch spielsüchtigen Gesellschaft, die Beobachtern Anlass zu satirischen und moralisierenden Darstellungen vor allem römischer Verhältnisse gab. Der öffentliche Charakter der Spiele machte dabei Spieler und ihre Zuschauer zu Teilnehmern eines spectaculum im Kleinen, das in der Literatur ihre Spuren hinterlassen haben. Die später vor allem für das Schachspiel wichtige Formulierung von einem den Krieg nur „simulierenden“ friedlichen Spiel zum Beispiel, bezogen auf das Würfelspiel und die mit ihm verbundenen positiven (concordia) und negativen (ira) Emotionen, findet sich bereits zu dieser Zeit (Karen Aydin).
Das Problem spielender Kaiser, die wie Augustus das Würfelspiel (selbstverständlich um Geld) in einem halbprivaten Raum liebten, lag darin, dass sie als Principes eigentlich nicht verlieren durften. Augustus berichtet in Briefen selbst, wie er das Dilemma löste, indem er sich für die Teilnahme am Glücksspiel selbst auf „die Sitten der Alten“ berief und zugleich auf übermäßigen Gewinn verzichtete, indem er den Mitspielern die Auszahlung erließ oder wieder zurückerstattete. Damit bewies er die kaiserliche Tugend der Großzügigkeit und nahm den moralischen Einwänden gegen das Spiel selbst ihre Schärfe. Für weniger starke Figuren unter den Kaisern war das Spiel allerdings Anlass zur Demonstration ihrer Macht und ihrer Lizenz, andere nach Belieben zu betrügen. Möglicherweise kann man den Ursprung der späteren Formel vom Schach als dem „Spiel der Könige“ in der patriarchalischen Haltung des Augustus vorgeprägt erkennen.
Auch ein anderes wiederkehrendes Motiv in der späteren Schachgeschichte, der Gleichmut des Spielenden in einer gefährlichen oder sogar tödlichen Lage, ist bereits in der Schrift des Seneca Über die Seelenruhe formuliert worden. Bekannt ist jedem schachgeschichtlich Interessierten die Szene, wie Johann Friedrich, genannt der Großmütige durch eine gefährliche kaiserliche Botschaft beim Schachspiel gestört wird (Heinrich Schlange-Schöningen).
Die römische Kaiserzeit und die Spätantike insgesamt hat zur Einschätzung des Spiels sowohl pagane wie christliche Quellen hinterlassen. Auch in ihnen finden sich die den späteren Bewertungen zu Grunde liegenden positiven und negativen Kriterien wie die Kontrastierung von Ernst und Spiel, die der Arbeit Ernsthaftigkeit des Tuns, dem Spiel allenfalls einen Erholungswert für die einfachen Leute zumisst (Cicero), oder im Spiel nur ein Mittel zu Exzessen und Ausschweifung sieht (Plinius d.J.). Die spätantike christlich-moralisierende Sicht auf das Spiel ist bestimmt vom Gedanken der Versuchung durch den Teufel. Im Vordergrund der Betrachtung stehen die daraus rührenden negativen Verhaltensweisen der Spieler aus dem Katalog der Laster. Von Kirchenstrafen ist in diesem Zusammenhang die Rede, doch scheint sich ihre Wirkung oder Durchsetzung in Grenzen gehalten zu haben (Mario Ziegler).
Viele Aspekte der positiven und negativen Spieleinschätzung stehen in den folgenden Jahrhunderten bereit für die Verwendung in Zusammenhängen herrschaftslegitimierender Art einerseits und moralisierender Exempel-Literatur andererseits. Weiterhin wird über das Würfelspiel reflektiert, wobei auch zunehmend die Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit der Würfe wichtig werden. Seit der Zeit um 1000 beginnt man, im Westen über das Schachspiel nachzudenken. Zugleich bildet sich ein Kanon herrscherlicher Tugenden (probitates oder virtutes) heraus, der analog zur Siebenzahl der Freien Künste sieben Fertigkeiten aufzählt, in denen ein Herrscher oder Adeliger/Ritter geübt sein musste. Zu diesen Kenntnissen gehört bei Petrus Alfonsi die Beherrschung des Schachspiels. Vielfältige Darstellungen spielender Paare zeigen dies. Literarische Quellen zur Rolle der Spiele haben häufig eine herrschaftslegitimierende Absicht. Der Dominikaner Jacobus de Cessolis schrieb einen Traktat über die Sitten der Menschen und die Pflichten des Adels. Er benutzt die Figuren des Schachspiels, um gutes, aber auch schlechtes Handeln und zugleich die Positionen der einzelnen Stände vom König bis zum Landfahrer exemplarisch zu zeigen (Sophie Caflisch).
In der frühen Neuzeit finden sich ikonographische Neuerungen in den Bildprogrammen von Spielen, die man mit zeitgenössischen Ereignissen in Verbindung bringen kann: So hinterlassen die Türkenkriege ihre Spuren in Schachfiguren und auf Spielkarten insofern, als den westeuropäischen Herrschern und den ihnen zugehörigen Begleitern osmanische Potentaten entgegentreten, die zwar in ihrem Auftreten den europäischen als gleichwertig dargestellt werden, aber, zum Beispiel in den Spielkarten Jost Ammans von 1588, in Beischriften auf drastische Weise geschmäht werden. Die Ambivalenz gegenüber dem Fremden und womöglich Feindlichen drückt sich hier aus. (Ömer Fatih Parlak)

Rezeptionswege 

Ein interessanter Fall für die Rezeption des Fremden sind seit dem späten 18. Jahrhundert Schachspiele, die in China für den Export nach Europa hergestellt wurden. Es konnte allen Bestellern auch damals bekannt gewesen sein, dass das autochthone chinesische Schach völlig verschieden ist vom europäisch-internationalen. Es wird mit meist runden Spielsteinen auf den 9 Linien eines von einem „Fluss“ geteilten Bretts gespielt. Was die Besteller aber wollten, waren Figuren des ihnen gewohnten Schachs in chinesischem Gewand, mit chinesischer Bewaffnung und chinesischen „Abzeichen“ ihres gesellschaftlichen Standes. Doch die den Chinesen vertraute Schach-Terminologie kannte keinen König und noch weniger die Dame. Das Problem wurde umgangen oder hingenommen. Die Felder der 8 x 8-Bretter wurden zu Bildfeldern beliebter, aus der chinesischen Gebrauchsmalerei bekannten Szenen. Die Figuren und die Bretter erzählten daher trotz ihres nicht-chinesischen Hintergrunds viel von der fremden Kultur, wenn sie im Westen ankamen und bewundert wurden – offensichtlich ein Fall von implizitem Kulturtransfer (Hans und Barbara Holländer).
Rezeption in umgekehrter Richtung erfuhren deutsche „Kriegsspiele“ als taktische Lernspiele, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Interesse chinesischer Militärs erregten. Leopold von Reiswitz hatte anfangs des 19. Jahrhunderts ein auf dem Schach basierendes „Sandkastenspiel“ mit Geländeformationen, Spielfiguren und Gerätschaften entwickelt, mit denen sich auf einem Tisch variable Konstellationen als Simulationen realen Kriegsgeschehens aufbauen ließen. Kriegsspiele dieser Art waren bei deutschen Offizieren außerordentlich beliebt, und wurden als Übungsgegenstand von vielen ausländischen Armeen übernommen. Nach den Niederlagen der chinesischen Truppen in den Opiumkriegen und der Niederlage gegen die Japaner 1895 kam es zu militärischen Reformen, die sich an der Ausbildung deutscher Offiziere orientierten und das Kriegsspiel als ihren standardmäßigen Teil betrachteten. Diese Aneignung in den kulturellen Zusammenhang Chinas wurde auch als Zeichen einer neuen Modernität verstanden (Nicolas Schillinger).

Funktion des öffentlichen Raums

Kein Thema aus der Geschichte der Spiele, hier besonders der Brettspiele, ging in der Neuzeit verloren und wurde häufig zur Struktur literarischer Bearbeitung. In der Kurzgeschichte der Kubanerin Ana Menendez -  In Cuba I was a German Shepherd - macht das Domino-Spiel von Exilkubanern und -Dominikanern im öffentlichen Raum eines Parks in Miami eine Diaspora-Situation sichtbar durch eine kulturelle Praxis, die den Bezug zur Heimat herzustellen versucht und gleichzeitig zum öffentlich sichtbaren Zeichen einer „anderen Gesellschaft“ wird.
In seinem Roman Malemort fordert der martiniquanische Theoretiker Édouard Glissant einen öffentlichen Raum für die Entwicklung eines „karibischen Bewußtseins“ für die eigene Geschichte und Kultur anstelle der Reduktion der produktiven Kräfte auf das Folkloristische. In der Struktur des Domino-Spiels, in der Zentrum und Peripherie bedacht werden müssen, spiegelt sich der Anspruch des „anderen Amerikas“ auf „Selbstausdruck“ in der Öffentlichkeit (Saskia Schabio).

Der Roman The Noble Game of the United States of America von Jules Verne vereinigt alle von Roger Caillois geforderten Charakteristica des Spiels (Agon, Ilinx, Alea und Mimikry). Sein Inhalt ist ein im öffentlichen Raum der Reise stattfindendes Spiel, zu dem ein sehr reicher, einem Exzentrikerclub angehörender Sonderling aufruft. Er lobt für den Sieger 60 Millionen Dollar aus. Sechs Spieler werden ausgelost, die auf einem dem Gänsespiel nachgebildeten Brett dem Weg durch Amerika zum Ziel folgen, jedoch ihrem jeweiligen Charakter gemäß konfrontiert mit Missgeschicken, Widerständen und Zwängen sind. „Am Weg“ sammeln sich in größeren Städten die Massen, um so am Spiel teilzunehmen. Zuletzt findet der Fortgang eine überraschende Wende: Ein neuer als XYZ benannter Spieler tritt auf, der sich als der im geheimen strippenziehende, angeblich bereits verstorbene und wieder auferstandene Auslober und als der Sieger herausstellt. Abgesehen von diesem exzentrischen Plot hat die Geschichte einen erzieherischen Aspekt, wenn die Leser alle dem damaligen Baedecker entnommenen Fakten der verschiedenen Reiserouten kennenlernen (Elmar Schenkel).

Politisierung und Instrumentalisierung

Auch der Film benutzt das Spiel als Strukturelement. In Satyaji Rays The Chess Players begleiten zwei passionierte indische Schachspieler, die sich ihren sonstigen Pflichten entziehen, die Machtspiele und „Schachzüge“ der britischen Kolonialmächte, die zum Niedergang und zur Absetzung (dem Matt) des letzten absolutistischen Herrschers Indiens, des Nawab von Avadh, führt.
Interessant ist die Verwendung eines Figurentyps (Burma-Typ) im Film, der mit indischen Figurentypen der Zeit nichts zu tun hat, als chinesische Exportware jedoch vor allem in England weit verbreitet war. Der Grund für diese immerhin auffällige Wahl und ihre Bedeutung ist bisher nicht aufgelöst. Ist auch diese Wahl der Figuren ein Zeichen für Niedergang? Die unterschiedlichen Spielweisen der Inder und die der Okkupanten, die in ihrer Schnelligkeit als Bruch der geheiligten Regeln verstanden werden, reflektieren die politische Konfrontation der alten und neuen politischen Kräfte (Martina Gosh-Schellhorn).

Wird der politische Antagonismus des Films als sprachliche Ambivalenz gelesen, in der Zeichen mehrdeutig interpretiert werden können, so kann sich aus der Verwendung zweier Sprachen und der gemeinsamen Arbeit an einem poetischen Projekt eine Art Wort-Schach entwickeln, wie in dem kleinen Buch mit den Titeln Caturangic and Squares. Der amerikanische Partner beginnt das Spiel mit einem Gedicht in englischer Sprache, der bengalische Partner antwortet auf Bengali. Die Aufgabe des Bengalen ist es danach, das englische Gedicht ins Bengali, das bengalische ins Englische zu „übersetzen/übertragen“. Die dabei entstehenden Modifikationen werden in den jeweils folgenden, insgesamt 30 Gedichten reflektiert, wobei der englisch sprechende Partner die Kontrolle über den Inhalt des englischen Teils behält, über den bengalischen jedoch nur begrenzt verfügen kann (Rahul Peter Das).

Als Prototypen eines komplizierten Netzes von Ähnlichkeiten innerhalb der Spiele erscheinen Schach, Monopoly und Gänsespiele. Innerhalb ihres kulturellen, sozialen und politischen Umfeldes können sie dessen Verhaltensnormen und Wertesysteme spiegeln. Werden sie indessen als Medium politischer Propaganda verwendet, kippt ihr inhaltlicher Kontext: Politisch erwünschte Konstellationen lösen auf der bildlichen Ebene die mehrdeutigen und symbolisch-abstrakten Formen der Ausgangsspiele ab und verkehren sie trotz der Übernahme ihrer Regeln zu ideologisch aufgeladenen Simulationen politischen Geschehens. Ein Beispiel aus dem Schach ist das russische Propagandaschach von 1925. Andere Schachformen sind die zu reinen Kriegsspielen erweiterten Schachvarianten, die eine lange Tradition haben und zu militärischen Planspielen von komplizierter und chaotischer Bauart führen. In der Tradition der Schachderivate steht auch Arnold Schönberg's Bündnis- oder Koalitionsschach.
Ziel der Monopoly-Spiele ist das Erringen eines ökonomischen Monopols in einer Stadt durch Kauf oder Vermietung von Grundstücken, also eine rein kapitalistische Tätigkeit, die vom Würfel gesteuert wird. Varianten entstehen, die den monopolistischen Ansatz des Spiels aufbrechen wollen und einen Antagonismus durch die Einführung einer „gerechten“ marktwirtschaftlichen Position einführen. Demgegenüber stehen Vereinnahmungen des Spiels durch Extremisten, zum Beispiel des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), die als Ziel des Spiels „Judenfreiheit“ propagieren und es unter Gesinnungsgenossen verbreiteten.

Die vielen Varianten der „Gänsespiele“, in denen ein spiralförmiger Weg über „Bedeutungsfelder“ ins Zentrum führt und zwei Würfel den Fortgang steuern, eigneten sich hervorragend zu didaktischen Zwecken, um Geographie und historische Entwicklungen, kulturelle Unterschiede, aber auch kolonialpolitische Absichten zu veranschaulichen. Auch diese Lehrspiele kennen ihre Pervertierung. Das als „infamstes Spiel der Weltgeschichte“ bezeichnete, auf der Grundlage von „Fang den Hut“ entwickelte Spiel „Juden raus!“ fand allerdings im Kampfblatt der SS keine Zustimmung, weil man den „Ernst der Sache“ zu einem Zeitvertreib für Kinder verniedlicht sah. Das Spiel verschwand daher sofort aus dem Angebot des Herstellers (Ernst Strouhal).
Zu Beginn des ersten Weltkriegs manifestiert sich das politische Geschehen in der Thematik und Ikonographie nahezu aller Spiele. Den deutschen Soldaten schickte man zwar vor allem Spielesammlungen klassischer Brettspiele, jedoch wurde die Aufnahme aktueller Ereignisse ins Programm mit dem Argument beworben, man erfahre aus ihnen, was die Angehörigen in den Kampfgebieten zu leisten hätten. Besonders interessant lesen sich die das Spielmaterial begleitenden Einführungen, in denen die Spiel-Themen, wie etwa „Der Kampf gegen Rußland“, ganz aus der Sicht der nationalen Propaganda eines heldenhaften Kampfes dargestellt werden. Die Gegenseite stellt in nicht weniger aggressiver Weise die Barbarei der Deutschen, die Zerstörer belgischer und französischer Städte, als die Taten wilder Horden gegen die Kulturvölker dar (Ulrich Schädler).
Schach als Möglichkeit der Zerstreuung in politisch unguter und gefährlicher Lage ist ein altes Sujet der literarischen Schachüberlieferung. Mehrere Romane thematisieren sogar extreme Bedingungen. Auch im Leben der Brüder Walter und Georg Benjamin spielte das Schachspiel seit der Kindheit eine Rolle, allerdings ändert sich ihr Verständnis seiner Funktion im Lauf ihrer jeweiligen intellektuellen und politischen Entwicklung. Für Walter Benjamin stand der ästhetische und fast körperliche Genuss der wechselnden Dynamik des Spiels im Zentrum, für Georg Benjamin wurde das Spiel im Zuchthaus von Brandenburg zu einer Möglichkeit, verbotene Kommunikation unter den Mitgefangenen dennoch herzustellen. In Briefen an seine Frau Hilde Benjamin stellen die Schachaufgaben für seinen Sohn zugleich verdeckte Botschaften politischen Inhalts dar (Bernd-Peter Lange).

Den Beschluss des Bandes bilden zwei Beiträge zur Tätigkeit des Spielerfinders und zum Einfluss der Auszeichnung „Spiel des Jahres“ auf die Entwicklung des Marktes für Brettspiele. (Steffen Bogen, Tom Werneck)

(c) Barbara Holländer 2018
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